Camping kann doch jeder – man muss es nur wagen!

Wie man Kindheitserinnerungen aufleben lässt.

Es ist zwar schon über 10 Jahre her, aber irgendwann war auch ich „First-Time Camper“. Naja, ich war schon in den 70er-Jahren als Kind mit meinen Eltern durch ganz Europa mit dem Wohnwagen gereist und als Teenie natürlich mit den Pfadfindern im Zeltlager, aber irgendwann war ich dann als erwachsene Frau, alleinerziehende Mutter zweier Kinder, das erste Mal „alleine“ zelten. Ich wollte ein Stückchen meiner Kindheit aufleben lassen – für meine Kinder.

 

Ein Tunnelzelt sollte es sein, am liebsten ein Modell mit fest eingenähtem Zeltboden, um als Frierhippe Zugluft nachts zu vermeiden. In unserem Fall ging das jedoch leider nicht: mein Sohn sitzt aufgrund einer Muskelschwunderkrankung im schweren Elektro-Rollstuhl und sein Gefährt käme bei so einem Zelt nicht durch die Türen, weil diese nicht bodentief sind. Zum Glück habe ich rechtzeitig daran gedacht!

 

Meine damals 11-jährige Tochter war stolz wie Oskar, den zweiten Offizier beim Zeltaufbau zu spielen und es hat tatsächlich recht gut und nicht allzu langsam geklappt. Dem 9-jährigen Abenteurer im E-Rolli wurde das Ganze allerdings zu langweilig und er verschwand bald Richtung Spielplatz. Danach wurde es auch schwieriger die volle Aufmerksamkeit des zweiten Offiziers zu halten und sobald das Zelt einigermaßen stand, war auch meine Tochter kurzerhand verschwunden. Tja, soviel zum „gemeinsamen“ Zeltaufbau.

 

 

 

Da es nur ein kurzes Probewochenende sein sollte, hatten wir nicht viel mit und deshalb habe ich den Rest ganz gut allein geschafft. Zelt noch richtig abspannen, Isomatten und Schlafsäcke ausrollen, Picknickdecken im Wohnbereich auslegen, Kisten mit Klamotten, Waschzeugs und Lebensmitteln aufstellen. Der Schwenkgrill (zum Glück am Campingplatz erlaubt) sollte das Abendessen und der aus Studentenzeiten alt bewährten kleinen Trangia Sturmkocher den Kaffee und Kakao zum Frühstück liefern. Zusammen mit der geliehenen Kühlbox würde das für ein Wochenende schon reichen.

 

Damals als ich Kind war bestand das tägliche Camping-Outfit aus Gummistiefeln, kurzer Hose, T-Shirt, einer Strickjacke (selbstgestrickt, versteht sich) und oben drauf einer dünnen Regenjacke. Damit war man als Kind immer bestens ausgerüstet, egal was das Wetter so tat, und die praktische Camping-Mutti hatte nach dem Urlaub nicht so viel zu waschen. Irgendwas hat sich aber unbemerkt zwischen den 70er-Jahren und der Jahrtausendwende geändert…. Selbstgestricktes lehnt man heutzutage wohl als 11-jährige Frau der Welt kategorisch ab und selbst 9-jährige Abenteurer kriegen bei der bloßen Erwähnung von Gummistiefeln Pickel auf dem Kinn. OK, Gummistiefel im Rolli sind irgendwie schon überflüssig, aber ich meinte ja nur… Wie man nach nur einem Wochenende auf dem Campingplatz so viele Grasflecken auf der Lieblingsjeans und einen Riss im Knie der Ersatzhose bekommen kann ist eine Frage, die bis heute unbeantwortet bleibt. Ich bleib dabei: kurze Hosen sollten beim Camping Pflicht sein!

 

 

 

Nach dem Abendessen vom Grill sollte es Stockbrot geben – eins meiner allerliebsten Kindheitserinnerungen. Zwar nicht am offenen Lagerfeuer, wie damals, aber die Feuerschale vom Schwenkgrill war ein würdiger Ersatz. Stöcke hatte ich von zu Hause mitgebracht und der Teig war auch schon fertig. Das sollte ein Schlüsselerlebnis im Leben meiner Kinder werden. Allerdings hatte ich nicht daran gedacht, das muskelschwache Abenteurer Schwierigkeiten haben würden, einen langen Stock zu halten. Kaum hatte er das eine Ende in der Hand, schwupps landete das andere Ende im Feuer und wurde schwarz. Die Frustration stieg, denn helfen lassen wollte sich der stolze Krieger nicht, und bald war die idyllische Lagerfeuer-Stimmung nirgendwo mehr aufzutreiben. Vielleicht hätten wir lieber Uno spielen sollen…?

 

 

Die Kinder verschwanden wieder Richtung Spielplatz, ich entsorgte die verkokelten Essensreste und entschloss mich, zu entspannen und in Ruhe ein Glas Wein zu genießen. Kaum war die Flasche auf, da kam mein zweiter Offizier „Hilfe!“ schreiend angerannt. Keine Panik, dachte ich mir, du bist für alles vorbereitet. Hast Kühlpacks dabei, Salbe für Mückenstiche, Pflaster für Schnittwunden, sogar noch Panzerband und Kabelbinder, falls es wirklich ernst wird. Du warst doch Pfadfinder, bist schon 11 Jahre Mutter, dich haut so schnell nichts um!

 

Tja, woran ich nicht gedacht hatte? Dass E-Rollis nicht unendlich laufen, wenn sie nicht aufgeladen werden…. Da stand mein Abenteurer nun, hilflos gestrandet zwischen Duschhäuschen und Müllcontainern, weil sein Gefährt keinen Saft mehr hatte. Nichts ging mehr. Gar nichts. Das Ladegerät hatte ich zwar mit eingepackt, mir jedoch keine Gedanken dazu gemacht, wo ich das Ding einstöpseln würde. Unsere Parzelle war ohne Stromanschluss….

 

Zum Glück war der nette Platzwirt sehr hilfsbereit, wenn auch reichlich amüsiert, und hat unserem Rolli eine kostenlose Übernachtung im Anmeldebüro angeboten – Steckdose inklusive. Gerettet! Nachdem ich dann das 180 kg schwere Ding über die Wiese zum Büro geschoben und das schelmisch grinsende Kind zurück zum Zelt geschleppt hatte, war ich für den Tag erledigt. Mangels fahrbaren Untersatzes für den Spielplatz sind wir dann doch noch zu unserer Runde Uno gekommen….

 

 

Dass ich meinen kleinen Abenteurer wie zu Hause auch im Urlaub nachts mehrmals würde lagern müssen war mir zwar klar, ich hatte allerdings die Gegebenheiten im Zelt vollkommen unterschätzt. Zu Hause tappe ich leise ins Kinderzimmer und drehe das schlafende Kind, wie eine Schildkröte im orthopädischen Korsett eingepackt, flink auf die andere Seite. Da das Pflegebett auf einer rückenfreundlichen Höhe eingestellt ist, absolut kein Problem. Tja, nun waren beide Kids in einer Schlafkabine untergebracht – und zwar auf dem Boden, auf einer Isomatte und in ihren Mumienschlafsäcken eingekuschelt. Es war überhaupt ein Wunder, dass ich es zum Sohnemann geschafft habe, ohne den zweiten Offizier dabei zu Tode zu trampeln. Aber dann noch die Schildkröte in dem Schlafsack umdrehen? Mumienschlafsäcke sind vieles, aber absolut ungeeignet zum Lagern eines Kindes ohne jegliche Körperspannung! Der Schlafsack drehte sich ständig mit und der Reißverschluss verschwand auf Nimmerwiedersehen unter dem Kind, was ein sicheres wieder Einpacken unmöglich machte. Und mein Rücken….

 

OK, es war für mich also nicht gerade die romantische Idylle meiner Kindheit aber meine Kinder liebten es. Sie waren den ganzen Tag draußen mit anderen Kindern vom Platz und kamen müde, dreckig und total glücklich am Abend (oder sobald die Rolli-Akkus leer waren….) wieder. Sie liebten es, Grillwürstchen mit Baguette zu essen und morgens ihren Kakao draußen trinken zu dürfen. Der harte Boden und die kühle Luft war ihnen nachts egal – sie hatten ihr eigenes Reich in der Schlafkabine und fühlten sich puddelwohl.

Ein paar Mal haben wir unsere Wochenenden so verbracht, teilweise mit befreundeten Familien zusammen, und es war eine wirklich tolle Zeit. Irgendwann war aber der junge Abenteurer zu schwer und mein Rücken zu schwach und die Camping-Ära hatte für uns ein Ende. Die Erinnerungen haben wir aber bis heute noch und wir sind stolz darauf, trotz allem es mal gewagt zu haben.